Forschungsbericht
des ICCT: Abweichungen zwischen offiziellen Verbrauchsangaben und
Realverbrauch steigen auf durchschnittlich 38 Prozent
– Das für die Kontrollen der Herstellerangaben zuständige
Verkehrsministerium verweigert weiterhin Nachprüfungen – Autokäufer pro
Fahrzeug mit Mehrkosten von durchschnittlich mehreren tausend Euro
belastet – DUH plant Musterklagen gegen behördlich tolerierte
Verbrauchertäuschung
Berlin, 29. 9.2014:
Seit 2004 dokumentiert die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) jährlich,
dass
der Abstand zwischen offiziellem und realem Kraftstoffverbrauch bei
Pkw-Neufahrzeugen immer größer wird. Der neueste Forschungsbericht des
International Council on Clean Transportation (ICCT) bestätigt die
Erkenntnisse des Umwelt- und Verbraucherschutzverbands.
Nach den ICCT-Berechnungen lag der durchschnittliche Mehrverbrauch von
neuen Fahrzeugmodellen in Europa 2013 bei 38 Prozent. 2001 waren es noch
acht Prozent. Am stärksten weichen die Werte bei den drei deutschen
Premiumherstellern Audi mit 50 Prozent beim
A6, Mercedes mit 45 Prozent bei der neuen E-Klasse sowie BMW mit 40
Prozent beim 5er ab.
Nach
Ansicht der DUH sind diese Abweichungen im Wesentlichen darauf
zurückzuführen, dass sich die Zulassungsbehörden insbesondere in
Deutschland auf die Herstellerangaben blind
verlassen und – anders als beispielsweise in den USA – auf jegliche
Überprüfung seitens der Behörden verzichten. Die DUH hat daher im
Frühjahr eine Kampagne gegen die manipulierten Spritverbrauchsangaben
der Autohersteller (www.spritfrust.de)
mit dem Ziel gestartet, dass die Behörden in Deutschland den
Kraftstoffverbrauch von Kundenfahrzeugen im realen Fahrbetrieb
kontrollieren und bei festgestellten Abweichungen eine Korrektur der
Herstellerwerte vornehmen. Ohne eine solche Feldüberwachung wird
auch das in der EU ab 2017 vorgesehene neue Messverfahren für die
Zulassung von Fahrzeugen, das Worldwide Harmonized Light Vehicles Test
Procedure (WLTP), die hohen Abweichungen kaum verringern können. Die DUH
wird mit bis zu fünf Musterklagen betroffener
Autohalter zusätzlichen Druck auf die Bundesregierung ausüben.
„Millionen
Autokäufer werden in Deutschland mit dem Segen der Bundesregierung von
Jahr zu Jahr mehr getäuscht und um jeweils mehrere tausend Euro
geschädigt. Obwohl es eine
eindeutige Prüfvorschrift gibt, weigert sich das
Bundesverkehrsministerium, diese anzuwenden. In den USA führen bereits
Abweichungen von weniger als 5 Prozent zu Strafzahlungen und Korrekturen
der Herstellerangaben. In Deutschland dagegen folgt selbst auf
eine Abweichung von 50 Prozent keine Überprüfung. Die Folge: Audi,
Mercedes und BMW sind mit ihren Spitzenmodellen die derzeitigen
Europameister beim Täuschen ihrer Kunden über die tatsächlichen
Spritverbräuche und die damit verbundenen Klimagasemissionen“,
so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Die
Daten des ICCT zeigen, dass sich die Diskrepanz zwischen
Herstellerangaben und Realverbrauch insbesondere seit der Einführung der
CO2-Grenzwertgesetzgebung der EU 2007
und der CO2-bezogenen Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland 2009 deutlich
erhöht hat. Mit jeder neuen Modellgeneration oder größeren Anpassungen
(so genannter Facelift) eines Fahrzeugs tricksen die Hersteller mehr.
Während dies schon früh an den Mehrverbräuchen
bei Fahrzeugen von BMW zu beobachten war, täuschen nun auch die übrigen
Hersteller und melden immer unrealistischere Spritverbrauchswerte. Sie
verschaffen sich damit einen Wettbewerbsvorteil und erreichen ihre
Klimavorgaben, ohne dass die tatsächlichen Verbräuche
entsprechend verringert werden.
Seit
Einführung der CO2-Grenzwerte für Neuwagen sind deren Verbrauchswerte
auf dem Papier jährlich um vier Prozent gesunken. Nur die Hälfte dieser
Minderung kommt laut ICCT
auf der Straße an. Um die Klimaschutzziele der EU und Deutschlands
erreichen zu können, müssen die Verbrauchsangaben realistisch sein.
Die
enormen Mehrverbräuche sind aber nicht nur ein Problem für den
Klimaschutz und den Geldbeutel von Verbrauchern, auch die
Kfz-Steuereinnahmen sinken entsprechend durch die
getrickst niedrigen Verbrauchsangaben. „Die Steuermindereinnahmen
durch den Kraftstoffmehrverbrauch von Pkw zwischen Einführung der
CO2-bezogenen Kfz-Steuer 2009 und dem Ende des Jahres 2013 betragen 860
Millionen Euro“, sagt
Urs Maier, Projektmanager Verkehr und Luftreinhaltung. Dieser Rechnung zugrunde gelegt sind die vom ICCT ausgewerteten Daten von
www.spritmonitor.de sowie die Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamtes.
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