2. Februar 2017

Deutsche Umwelthilfe und Transport & Environment starten Kampagne für korrekte Spritverbrauchsangaben


EU-Kommission fördert Projekt zur Durchsetzung des Rechts von Autokäufern auf ehrliche Verbrauchsangaben – Autokonzerne melden Zulassungsbehörden immer unrealistischere ‘Normverbräuche‘ und verhindern bisher erfolgreich behördliche Nachmessungen und Korrekturen – Daimler-Fahrzeuge der Marke Mercedes sind negativer Spitzenreiter mit 54 Prozent Abweichung – DUH und T&E fordern behördliche Kontrollen und drastische Strafen für nachgewiesene Falschangaben – DUH rechnet mit 2,6 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen allein in 2017 durch falsche Spritverbrauchsangaben

Berlin, 02.02.2017: Autokäufer sollen sich zukünftig wieder darauf verlassen können, dass die offiziell ausgewiesenen Verbrauchsdaten auch der Realität entsprechen. Dazu startet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gemeinsam mit dem europäischen Dachverband Transport & Environment (T&E) die Verbraucherschutzkampagne „Get Real – Für ehrliche Spritangaben“ (http://www.get-real.org/my-front-page-de/). Im Rahmen der Kampagne sollen rechtswidrige Praktiken wie die Erkennung von Prüfständen, Abschalteinrichtungen oder Testfahrzeuge, die wesentlich von den Serienmodellen abweichen, öffentlich gemacht und gerichtlich verfolgt werden. Gleichzeitig sollen Behörden und politische Entscheidungsträger dazu gebracht werden, die bestehenden Zulassungsvorschriften anzuwenden und behördliche Nachprüfungen durchzuführen sowie festgestellte Abweichungen zu veröffentlichen und bei betrügerischen Praktiken Sanktionen zu verhängen, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind (VO (EG) 715/2007).

Die EU-Kommission sendet mit der Förderung des Projektes für korrekte Spritverbrauchsangaben ein klares Signal an die Autokonzerne, deren unehrliche Angaben nicht länger zu akzeptieren. Während die Abweichung der so genannten Normverbräuche vor 15 Jahren bei durchschnittlich ca. sieben Prozent lag, ist der Mehrverbrauch im vergangenen Jahr auf durchschnittlich 42 Prozent angewachsen, ohne dass sich die Testmethoden in dieser Zeit verändert haben. Geschädigt wird der Klimaschutz durch in der Realität nicht sinkende, sondern bestenfalls gleichbleibende CO2-Emissionen. Ebenso der Bundesfinanzminister, der allein in 2017 ca. 2,6 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen zu verzeichnen haben wird. Leidtragende sind schließlich auch die Autokäufer, die immer höhere Mehrkosten für den Kraftstoff zu zahlen haben als beim Autokauf angenommen.

„In den USA kontrolliert die Umweltbehörde EPA auf Hinweis von Verbraucherverbänden die Spritverbrauchsangaben der Autobauer und verhängt dreistellige Millionenstrafen bei Abweichungen. Amerikanische Autokäufer können den Normangaben trauen, diese weichen nur 3 bis 4 Prozent vom Realverbrauch ab. In Deutschland ignorieren Verkehrsministerium und Kraftfahrt-Bundesamt seit acht Jahren geltendes EU-Recht und verweigern behördliche Nachmessungen, Korrekturen von Falschangaben und Bestrafung bei Betrug“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

„Wir werden im Rahmen unseres EU-geförderten Projektes präzise Nachmessungen der ‚Ausrollwerte‘ mit Serienfahrzeugen durchführen und der DUH zugespielte Hinweise über eingesetzte Betrugssoftware wie der Prüfstandskennung durch Lenkwinkelerkennung testen“, kündigt Resch an. Für behördliche Nachmessungen fordert die DUH eine neutrale Prüfstelle, idealerweise angesiedelt beim Umweltbundesamt. Wie in den USA sollten Serienfahrzeuge nach dem Zufallsprinzip und nach Hinweisen von Autohaltern oder Verbraucherschutzverbänden nachgeprüft werden. Bei Abweichungen ab drei Prozent muss zukünftig eine Korrektur der amtlichen Verbrauchswerte erfolgen.

Die DUH und T&E fordern die Benennung einer für falsche Spritverbrauchsangaben zuständigen Behörde, die den Verbrauchern auch bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber den Autokonzernen hilft. In Deutschland kann nach einem Grundsatzentscheid des Bundesgerichtshofes jeder Autohalter mit nachweislich erhöhtem Spritverbrauch von über 10 Prozent die Rückabwicklung des Kaufs sowie Schadenersatz einfordern. In der Realität müssen sich die betroffenen Autohalter bislang auf einen mehrjährigen Rechtsstreit mit spezialisierten Konzernanwälten und hohen Gutachterkosten einstellen, ohne dass sie eine Unterstützung durch die Behörden erhalten.

Die unrealistischen Verbrauchsangaben der Hersteller führen bei Autofahrern zu deutlich mehr Spritkosten. Nach Angaben der Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) sind die Kosten pro Jahr für einen durchschnittlichen Autofahrer inzwischen etwa 450 Euro höher, als die Herstellerangaben es vermuten lassen.

Greg Archer, Geschäftsführer bei T&E führt an: “With cars that burn over 40% more fuel than advertised, carmakers are deceiving consumers and cheating environmental rules. New tests are not enough. They also need to be conducted by independent agencies in independent laboratories and approved by regulators who don’t turn a blind eye when carmakers bend the rules." 

T&E hat im Dezember 2016 aktuelle Zahlen zu Spritverbrauch und CO2-Emissionen von Neuwagen vorgestellt. Die Analyse der 2015 in Europa verkauften Flotte zeigt, dass die Falschangaben der Autobauer im Durchschnitt aller Hersteller auf 42 Prozent angewachsen sind. Neufahrzeuge von Daimler der Marke Mercedes liegen sogar bei 54 Prozent. Damit ist der schwäbische Autobauer das Schlusslicht aller Hersteller.

Seit 2013 veröffentlicht T&E jährlich einen Bericht, der die Diskrepanz zwischen offiziellen Verbrauchsangaben und den realen Werten der Pkw im Fahrbetrieb untersucht. Die Lücke zwischen den Herstellerangaben und dem realen Verbrauch wächst nicht nur immer weiter, sie wächst auch immer schneller, so lautet ein Fazit des Berichts. 

Die Kampagne „Get Real – Für ehrliche Spritangaben!“ wird im Rahmen des LIFE-Programms der EU-Kommission gefördert und läuft bis Anfang 2020.

Links:

·         Auf unserer Kampagnenwebseite finden Sie weitere Informationen sowie den T&E-Bericht von Dezember 2016 http://www.get-real.org/my-front-page-de/  

·         Informationen zum Thema Spritverbrauch: http://www.duh.de/projekte/mehrverbrauch/

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