DUH
veröffentlicht erschreckende Ergebnisse von Abgasmessungen an einem
Euro 6 Diesel-Pkw des französischen Herstellers Renault – Einhaltung
des Stickoxid (NOx)-Emissionsgrenzwertes nur bei spezieller
Vorkonditionierung und kaltem Motor – Bei fünf Abgasmessungen im
Prüfzyklus mit warmem Motor waren die NOx-Emissionen um das 13- bis
25-fache erhöht – DUH hat weitere Fahrzeugtests an deutschen und
ausländischen Diesel-Pkw beauftragt
Berlin, 24.11.2015:
Die Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule in der Schweiz hat im
Auftrag der
Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Stickoxid (NOx)-Emissionen eines
Renault Espace 1.6 dCi (Frontantrieb, Laufleistung 12.300 km, Euro 6b)
untersucht. Dabei wiesen insbesondere die im Neuen Europäischen
Fahrzyklus (NEFZ) gefahrenen Tests mit warmem Motor sehr
hohe NOx-Emissionen auf. Die Werte überschreiten den geltenden
Grenzwert für Euro 6 Fahrzeuge um das 13- bis 25-fache. Die
Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule kommt in ihrem Prüfbericht zu
dem Ergebnis:
„Die gemessenen NOx-Werte von 6 NEFZ Messungen überschreiten den
Grenzwert von 80 mg/km. Zwei Tests zeigen Werte tiefer als 80 mg/km.“
„Den
Renault Espace Diesel haben wir für eine Überprüfung ausgesucht, weil
er bereits in anderen Tests mit erschreckend hohen Realemissionen
aufgefallen ist. Bei unseren Nachprüfungen
zeigte sich ein bestimmtes Muster. Nur wenn er in einer ganz bestimmten
Form auf die am Folgetag stattfindende Prüfung vorbereitet wurde,
bestand er diese mit Bravour. Alle Abweichungen in der
Vorkonditionierung beziehungsweise Tests mit warmem statt kaltem
Motor führten zu Dieselabgaswerten, die wir in dieser Höhe noch nie
gemessen haben“, sagt
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. „Wir fordern das
Bundesverkehrsministerium dazu auf, sowohl den bereits vor einem Monat
übermittelten Prüfbericht über einen Opel Zafira Diesel als auch diese
neuen Prüfergebnisse zum Anlass zu nehmen,
um eigene behördliche Nachprüfungen anzustellen.“
Im
Schweizer Prüflabor wurden insgesamt neun Einzelmessungen durchgeführt,
acht im offiziellen Prüfzyklus NEFZ, ein weiterer in einem von der DUH
entwickelten eigenen Zyklus.
Vor jedem der NEFZ-Durchläufe wurde zur Vorkonditionierung des
Testfahrzeuges entweder ein gesamter NEFZ gefahren oder drei
Wiederholungen des Außenstadtanteils des NEFZ (EUDC). Die
Vorkonditionierung ist im Testverfahren vorgeschrieben, um die
Vergleichbarkeit
und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen.
Die
Messergebnisse im NEFZ mit warmem Motor zeigten extrem hohe
NOx-Emissionen mit Werten von bis zu 2.061 mg/km. Erlaubt sind 80 mg/km.
Eine Einhaltung beziehungsweise Unterschreitung
des Grenzwertes wurde bei zwei Zyklen mit kaltem Motor und einer
Vorkonditionierung mit Außenstadtzyklus erreicht. Eine Messung mit
kaltem Motor und Vorkonditionierung mit einem NEFZ-Zyklus ergab
ebenfalls eine Überschreitung mit einem Wert von 235 mg NOx/km.
„Emissionswerte
in dieser Höhe kennen wir aus den späten 80er Jahren des vorigen
Jahrhunderts, vor der Einführung der Euro-Abgasstandards. Es ist
unglaublich, dass auch heute
noch sogenannte moderne Diesel-Fahrzeuge unterwegs sind, die die
Atemluft derartig belasten“, so der international tätige Verkehrsexperte
Axel Friedrich. „Das macht deutlich, dass wir mit der heutigen
Form der Zulassungsverfahren nicht weiterkommen, sondern einen
umfassenden Umbau des Systems brauchen, in das regelmäßige
Kontrollmessungen auf der Straße verbindlich integriert werden.“
Die
DUH hat am 19.11.2015 Klagen gegen die zuständigen Behörden mehrerer
Städte eingereicht, in denen die NO2-Grenzwerte in der Atemluft
anhaltend überschritten werden. In Wiesbaden,
Darmstadt und München reichte sie Vollstreckungsklagen ein, da in
diesen Städten trotz geltender Urteile aus früheren Verfahren die
Einhaltung der Grenzwerte nicht absehbar ist. Die DUH fordert unter
anderem ein Einfahrverbot für Dieselfahrzeuge, solange nicht
nachgewiesen ist, dass diese die geltenden Abgasgrenzwerte der
Eurostufe 6 einhalten. Dieser Forderung hatte sich unter anderem ein
Aktionsbündnis von Anwohnern des Stuttgarter Neckartors angeschlossen
und dies mit einer Demonstration am 21.11.2015 eindrücklich
unterstrichen. Die DUH hat auch das Regierungspräsidium Stuttgart
verklagt. Baden-Württembergs Landeshauptstadt weist deutschlandweit die
höchsten Belastungswerte auf.
„Alle
Klagen sind mittlerweile nachweislich bei den Gerichten eingegangen.
Wir sind zuversichtlich, dass sie innerhalb eines Jahres entschieden
werden“,
so Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in den verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzungen vertritt.
Am
vergangenen Wochenende war bekannt geworden, dass die US-Behörden
weitere 75.000 Fahrzeuge von VW ins Visier genommen haben. Auch bei
sämtlichen Diesel-Fahrzeugen der Marken
VW und Audi mit 3,0-Liter-Motoren aus den Modelljahren 2009 bis 2015
sei die von den amerikanischen Behörden bei VW, Audi und Porsche als
illegal klassifizierte Abgassteuerungssoftware zum Einsatz gekommen. Das
haben die Hersteller inzwischen eingeräumt.
„Es
stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse die deutschen
Kontrollbehörden über diese ‚zweite‘ beziehungsweise ‚dritte‘ Software
haben, die offensichtlich bei VW, Audi
und Porsche auch in Europa im Einsatz ist. Verkehrsminister Dobrindt
geht offensichtlich davon aus, dass deren Einsatz in Europa legal ist.
Wir fordern eine sofortige Offenlegung der den Behörden bekannten
technischen Details und Wirkungsweise dieser
Abgasbeeinflussungssoftware.
Messungen einer Audi A 8 Limousine durch unseren Dachverband T&E
zeigten auf der Straße eine Überschreitung des NOx-Grenzwertes um das
fast 22-fache. Diese von Regierungsmitgliedern gern genutzte
Diesel-Limousine zählt damit zu den dreckigsten Euro 6 Diesel
Pkw überhaupt“, betont Resch.
Das
Verkehrsministerium zeigt nach Auffassung der DUH weiterhin kein
wirkliches Interesse an einer Aufklärung des Diesel-Abgasskandals. Die
DUH hatte dem Ministerium nach ihrer
Pressekonferenz am 23.10.2015 neben dem veröffentlichten Prüfbericht zu
einem Opel Zafira Diesel weitere Informationen angeboten. Bis heute ist
das Verkehrsministerium nicht zu einem Gespräch über weitere
vorliegende technische Hinweise bereit.
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