Vom Zeitungsartikel in den Schaukästen der Theater,
dem Pressespiegel im Programmheft bis zu den Pressemappen der Künstler,
das Verwenden von Rezensionen aus der Tagespresse ist so alt wie der
Kulturbetrieb selbst.
Es ist ein vielen lieb gewordenes Geben und Nehmen:
Künstler liefern mit ihrer Arbeit den Gegenstand, über den berichtet
wird. Ihre schöpferischen Leistungen, ihre Pointen, ihre Pressetexte
werden häufig von den Rezensenten in den jeweiligen Besprechungen
zitiert. Dabei schmückt der Name eines bekannten Künstlers das
Feuilleton ebenso, wie der Name der Zeitung oder des Rezensenten die
Pressemitteilung des Künstlers schmückt. Die Wiedergabe des
vollständigen Zeitungsartikels - unter sorgfältiger Nennung der Quelle -
ist dabei aufrichtiger als das verkürzte Zitieren, da man durch
geschickte Montage die Tendenz einer Rezension in seinem Sinne deutlich
verändern kann.
Gute Pressekritiken helfen den Künstlern,
Veranstalter und das Publikum auf sich aufmerksam zu machen. Die Namen
der Zeitungen und Rezensenten erfahren durch das Zitieren wiederum
Verbreitung über den angestammten Leserkreis hinaus, wodurch sich auch
die Reputation der Kritiker erhöht und der Zeitungsverlag weitere
Anzeigenkunden gewinnen kann.
In letzter Zeit sind nun einige Künstler, Theater und
Kulturvereine, die Rezensionen über ihre eigenen Darbietungen bzw.
Aktivitäten auf ihre Webseiten gestellt haben, ohne Vorwarnung mit
erheblichen Geldbeträgen abgemahnt worden. Einige haben aus Angst vor
noch höheren Kosten, die sich durch ein Gerichtsverfahren ergeben
könnten, bezahlt. Viele Künstlerkollegen und Kulturvereine haben in
Panik die Kritiken von ihren Webseiten genommen, die meisten von ihnen
wohl für immer, da sie die Webseiten häufig in mühevoller Kleinarbeit
selbst erstellen.
Zuletzt wurden Ende Juli die Sängerin Scarlett O´ und der Liedermacher Michael Zachcial (Die Grenzgänger)
jeweils wegen Verwendung einer mehrere Jahre alten Pressekritik aus der
Syker Kreiszeitung durch eine Bremer Anwaltskanzlei abgemahnt. Der in
den Schreiben benannte Streitwert betrug dabei nahezu 20.000 Euro, das
geforderte Honorar der Anwaltskanzlei lag bei ca. 1000 Euro. Beide
weigern sich zu zahlen und erwarten nun womöglich ein Gerichtsverfahren.
Die digitale Revolution und das Aufkommen des
Internets machen eine Anpassung des Urheberrechts zwingend notwendig.
Während der Gesetzgeber noch überlegt, erleidet die kulturelle
Landschaft Schaden. Nutznießer der Abmahnungen sind dabei weder
Journalisten noch Verlage, sondern am ehesten die Anwälte.
Dem Wortlaut der Abmahnungen folgend, müssten alle
Künstler für Rezensionen Ihrer Arbeit auf der eigenen Webseite bezahlen.
Wie steht es aber um die Unabhängigkeit der Presse, wenn der Gegenstand
der Kritik seinen Kritiker bezahlt?
Wir, die Unterzeichner, treten dafür ein, daß
Künstler und Kulturvereine Artikel aus der Tagespresse sowie Hörfunk und
TV - Beiträge, in denen über ihre Arbeit berichtet wird, vollständig
oder in Auszügen auf ihren Webseiten genehmigungsfrei dokumentieren
dürfen. Die Quelle ist hierbei anzugeben und möglichst zu verlinken.
Wir ersuchen die Urheber und Rechteinhaber hiermit,
dies unabhängig von der Gesetzeslage zu unterstützen, zu tolerieren und
das auch öffentlich bekannt zu geben.
Wir laden ein zum Dialog auf Facebook und auf dieser Webseite.
Die Namen derjenigen Verlage etc., die diese Toleranzregelung
unterstützen, werden wir gerne hier veröffentlichen, wenn Sie uns unter
toleranz@chanson.de benachrichtigen.
Erstunterzeichner_innen:
Scarlett O´ - Liebenhof - MusikerinPigor - Berlin - Musiker
Michael Zachcial - Bremen - Die Grenzgänger, Liedermacher
Dr. Manfred Maurenbrecher - Berlin - Musiker/Texter
Jürgen Ehle - Liebenhof - Musiker / Komponist
Michael Kleff - Bonn - Journalist / Chefredakteur Folker
Axel Prahl - Berlin - Schauspieler
Andreas Dresen - Potsdam - Filmregisseur
Hannes Wader - Sänger / Liedermacher
Gerd Heger - Saarbrücken - Journalist / Musikprogrammgestalter
Steffen Mensching - Rudolstadt - Intendant Theater Rudolstadt
Maik Wolter - Berlin - Musiker/ Vorsitzender Profolk e. V.
Barbara Thalheim - Berlin - Liedermacherin
Robert Weißenberger - Frankfurt a.M. - Künstlermanagement
Uwe Hassbecker - Berlin - Silly, Musiker
Felix Kroll - Lübeck - Akkordeonist
Jörg Fröse - Leezdorf - Musiker
Annette Rettich - Dortmund - Cellistin
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