Hamburg, 23. Oktober 2019 – Union
und SPD sprechen im November über ihre bisherige und künftige
Zusammenarbeit und ziehen Halbzeitbilanz ihrer Amtszeit. Die
Tierschutzorganisation VIER PFOTEN schaut schon jetzt, zur Mitte der
Wahlperiode, auf die Arbeit der Großen Koalition und kommt beim
Tierschutz zu einem enttäuschenden Ergebnis. Trotz vieler Versprechen
haben sich bis heute die Lebensbedingungen von Tieren in Deutschland
nicht verbessert. Die Große Koalition ist dem Staatsziel Tierschutz
nicht nachgekommen.
„Die
Bilanz der Großen Koalition beim Tierschutz ist katastrophal. In den
vergangenen zwei Jahren ist rein gar nichts im Sinne der Tiere
verabschiedet worden. Im Gegenteil! Das Landwirtschaftsministerium nimmt
bei der betäubungslosen Ferkelkastration den Verstoß gegen geltendes
Recht nicht nur in Kauf, sondern legitimiert diesen sogar noch bis
mindestens Ende 2020. Ein ähnliches Prozedere ist jetzt bei der
Sauenhaltung geplant. Wenn die GroKo das Vertrauen in die Politik weiter
demontieren will, dann ist sie auf dem richtigen Weg. Wir brauchen
keine weiteren Nebelkerzen wie Ministerin Klöckners Tierwohllabel, in
dem kein Tierwohl steckt, sondern erwarten einen Paradigmenwechsel, der
eine zukunftsgerichtete Strategie und gesetzlich bindende Regelungen zum
Wohle der Tiere beinhaltet. Eine Forderung, die übrigens ein Großteil
der deutschen Wählerinnen und Wähler mit uns teilt“, sagt Rüdiger Jürgensen, Country Director VIER PFOTEN Deutschland.
Die wichtigsten Baustellen der Großen Koalition:
Intensivtierhaltung
- Bereits bis Ende 2018 sollte die betäubungslose Ferkelkastration
verboten werden – stattdessen gab es einen Aufschub um weitere zwei
Jahre. Jetzt forciert das Ministerium eine Methode, bei der Landwirte
selbst mit Isofluran betäuben dürfen. Ein Eingriff, der medizinischen
Fachkräften vorbehalten sein sollte.
- Zuchtsauen:
Trotz eines rechtsgültigen Gerichtsurteils werden Sauen immer noch
rechtswidrig in viel zu engen Kastenständen (körpergroßen Käfigen)
gehalten. Noch viel schlimmer: Statt dem Urteil zu folgen und Behörden
und Landwirte zu verpflichten, diese Vorgaben umzusetzen, will die
Regierung das Urteil ignorieren und die zu kleinen Kastenstände mit
einem perfiden Trick legalisieren: Der entsprechende Passus soll einfach
aus der überarbeiteten Haltungsverordnung für Schweine gestrichen
werden.
- Leidvolle Lebendtiertransporte in Drittstaaten
sind weiter erlaubt. Strengere Kontrollen finden nicht statt. Eine
Datenbank mit Versorgungsrouten wird das Problem der Tortur auf den
Strecken nicht lösen, da niemand ausreichend kontrollieren können wird.
- Millionen
männlicher Küken werden weiter aus rein wirtschaftlichen Gründen
getötet. Und dies, obwohl im Koalitionsvertrag steht, dass das Kükentöten bis
zur Hälfte der Legislaturperiode beendet werden sollte. Doch das im
Sommer dieses Jahres in Leipzig gefällte Urteil wird von der
Bundesregierung einfach nicht umgesetzt. Fristen zur Umsetzung? Ebenso
Fehlanzeige! Und marktreife technische Lösungen zur Früherkennung
männlicher Küken sind immer noch nicht vorhanden. Nachhaltige
Alternativen werden nicht forciert, obwohl sie der einzig sinnvolle Weg
sind, um sogenannte „Wegwerf-Tiere“ zu vermeiden.
Illegaler Welpenhandel und Qualzucht
- Laut
Koalitionsvertrag wollte das BMEL bis zur Mitte der Legislaturperiode
konkrete Maßnahmen vorlegen. Doch bis heute gibt es beim illegalen Welpenhandel
keine wirksamen Maßnahmen. Weder gibt es ernstzunehmende Bestrebungen
seitens des Ministeriums, den Handel einzudämmen oder Kontrollen
einzuführen, noch werden Online-Plattformen strenger reguliert. So
werden durch den anonymen Welpenhandel zu junge, kranke und ungeimpfte
Tiere angeboten und die Anonymität des Internets verhindert meist eine
Rückverfolgung. Daher haben skrupellose HändlerInnen keine Strafen zu
befürchten. Während die Regierung untätig bleibt, reagieren die
Bundesländer und reichten einen Antrag beim Bundesrat ein, der die
Bundesregierung zum Handeln auffordert.
- Zwar sollen laut Verordnung Qualzucht-Ausstellungen verboten
werden, bei denen die entsprechenden Rassen zur Schau gestellt werden.
Doch wird die eigentliche Tierschutzproblematik so nicht gelöst, denn im
Gesetz fehlen detaillierte Angaben, was überhaupt unter Qualzucht
fällt.
Zirkustiere und exotische Heimtiere
- Gravierende Tierschutzprobleme in Zirkussen:
Während zahlreiche Länder bereits strikte Verbote oder Einschränkungen
im Hinblick auf Wildtiere in Zirkussen erteilt haben, ist Deutschland
weiterhin Schlusslicht. Bezeichnend: ein Wildtierverbot in Zirkussen
sieht der Koalitionsvertrag überhaupt nicht vor. Erst heute hat die
GroKo einen entsprechenden Antrag wieder abgelehnt. Und das, obwohl der
Bundesrat schon mehrfach Initiativen zum Wildtierverbot angestoßen
hatte.
- Nicht besser bei den exotischen Heimtieren:
Es bleibt unklar, wie hier die oftmals problematische Haltung reguliert
werden soll. Obwohl es bis heute Verbesserungen geben sollte, wurden
diese nicht umgesetzt. Dabei liegt schon seit Juni 2018 der
Abschlussbericht der Exopet-Studie zur Haltung exotischer Tiere und
Wildtiere in Privathand vor, die die Probleme und möglichen Maßnahmen
darlegt.
Fazit: Insgesamt
eine sehr enttäuschende Bilanz der Großen Koalition. Doch das Gute an
einer Halbzeit – es gibt eine zweite. Und VIER PFOTEN erwartet, dass
diese von der Regierung endlich im Sinne des Tierschutzes genutzt wird.
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