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23. April 2016
TSCHERNOBYLFOLGEN WURDEN LANGE VERDRÄNGT UND HERUNTERGESPIELT
TSCHERNOBYLFOLGEN WURDEN LANGE VERDRÄNGT UND HERUNTERGESPIELT
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30 Jahre Tschernobyl
Die Ärzteorganisation IPPNW fordert die Bundesregierung anlässlich der
Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima auf, sich für eine zügige
Abschaltung und Stillegung der Atomreaktoren in Europa einzusetzen. Vor 30
Jahren wurden der Menschheit die Gefahren der Atomenergie auf schmerzliche
Weise bewusst, als in den frühen Morgenstunden des 26. April 1986 Reaktor
4 des sowjetischen Atomkraftwerks Tschernobyl explodierte. Radioaktive
Wolken verteilten die gefährliche Radioaktivität in den folgenden Wochen
über ganz Europa - auch Deutschland war betroffen, vor allem Bayern und
Baden-Württemberg.
Unmittelbar am havarierten Kraftwerk arbeiteten in den Wochen und Monaten
nach dem Super-GAU mehr als 800.000 AufräumarbeiterInnen. Sie erhielten
die größte Strahlendosis und erlitten die schwerwiegendsten
gesundheitlichen Schäden. Inzwischen sind schätzungsweise 112.00-125.000
AufräumarbeiterInnen gestorben, die Haupttodesursache waren Hirn- und
Herzinfarkte.
Mehr als 350.000 Menschen mussten aus der 30 km-Zone und weiteren stark
kontaminierten Regionen evakuiert werden. Ungefähr 8,3 Millionen
BürgerInnen der Ukraine, Weißrusslands und Russlands wurden großen
Mengen radioaktiven Niederschlags ausgesetzt. Schätzungsweise 100
Millionen Menschen in der UdSSR und 500 im Rest Europas wurden mit
geringeren Strahlendosen belastet. Rund 36% des radioaktiven Cäsiums
gingen damals über Weißrussland, Russland und der Ukraine nieder, etwa
53% über dem Rest Europas. 11% verteilten sich über den restlichen
Globus. Auch in Deutschland nahmen Millionen von Menschen radioaktive
Isotope wie Jod-131 oder Cäsium-137 mit der Atemluft, kontaminierter
Nahrung, Milch und Trinkwasser in den Körper auf. Bis heute werden
gesundheitsschädigende Mengen radioaktiven Cäsiums in bayerischem Wild
und Waldfrüchten gefunden.
Die wohl bekannteste Folge des Super-GAU ist der massive Anstieg von
Schilddrüsenkrebsfällen – vor allem in Weißrussland, der Ukraine und
Russland, aber in geringerem Umfang auch in allen anderen radioaktiv
kontaminierten Regionen Europas. Die starke Fokussierung auf
Schilddrüsenkrebs hat jedoch auch dazu geführt, dass weitaus
gefährlichere Tschernobyl-Folgen aus dem öffentlichen Bewusstsein
verdrängt wurden: So kam es bei den LiquidatorInnen und den BewohnerInnen
der stark kontaminierten Gebiete zu signifikant erhöhten Raten von
Leukämie und Lymphomen sowie Malignomen der Prostata, der Haut, der
Nieren, des Darms und der weiblichen Brust.
Die Anzahl der strahlenbedingten nicht-malignen Erkrankungen wie
Herzinfarkte, Schlaganfälle, Katarakte oder Hormondysregulationen wird
erst langsam im vollem Umfang begriffen und bewegt sich vermutlich in
ähnlichen Größenordnungen wie die Zahl der Krebserkrankungen.
Fehlbildungen, chromosomale Aberrationen wie Trisomie 21 und die Erhöhung
der perinatalen Sterblichkeit in Abhängigkeit zur Kontamination mit
Cäsium-137 wurden bereits wenige Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe in
Weißrussland, der Ukraine und einigen mittel- und osteuropäischen
Ländern registriert.
Die Atomwirtschaft versucht bis heute die Katastrophe von Tschernobyl
kleinzureden und beschränkt sich in ihren Untersuchungen lediglich auf
die betroffene Bevölkerung in den am schwersten kontaminierten Regionen.
Die Internationale Atomenergieorganisation IAEO, deren Satzungsziel die
Förderung der zivilen Atomenergie ist, geht von einer Kollektivdosis von
55.000 Personen-Sievert aus - immerhin noch genug, um rund 5.000-19.000
zusätzliche Krebsfälle in dieser Bevölkerung zu verursachen.
Sowjetische Behörden gaben allerdings für ganz Europa eine
Kollektivdosis von 2,4 Millionen Personen-Sievert an – mit der Folge von
rund 190.000-730.000 zusätzlichen Krebserkrankungen, davon etwa die
Hälfte mit tödlichem Ausgang. Zwischen diesen beiden Schätzungen wird
sich die tatsächliche Dosis bewegen.
Den IPPNW-Report "30 Jahre Leben mit Tschernobyl - 5 Jahre Leben mit
Fukushima" finden Sie unter
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/IPPNW_Report_T30_F5_Folgen_web.pdf
(Link:
http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/IPPNW_Report_T30_F5_Folgen_web.pdf
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