25. Mai 2014

Bisherige Erfahrungen mit der Finanzierung von Hinterlassenschaften der Atomwirtschaft

.ausgestrahlt - gemeinsam gegen Atomenergie
Pressemitteilung

Hamburg, 14. Mai 2014



Bisherige Erfahrungen mit der Finanzierung von Hinterlassenschaften der
Atomwirtschaft


Drei Beispiele als Hintergrund zur Debatte um eine „Bad Bank“


Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt erklärt
zu bisherigen Erfahrungen mit der Finanzierung von Hinterlassenschaften
der Atomwirtschaft:

„Wenn jetzt über eine ‚Bad Bank‘ mit beschränkter Haftung der
Stromkonzerne diskutiert wird, dann ist es hilfreich, sich einmal die
bisherigen Erfahrungen mit der Abwicklung von Atomprojekten anzusehen.
Wir stellen fest: Üblich ist, dass die Kosten explodieren. Üblich ist
auch, dass die Atomwirtschaft nur sehr begrenzt oder gar nicht haftet
und die Abrisskosten auf den Staat abgewälzt werden. Deshalb warnen wir
davor, jetzt eine Rechtskonstruktion zu wählen, die die Haftung der
AKW-Betreiber begrenzt und am Ende für die Steuerzahler teuer wird.“


Beispiel 1: Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK)

Im Hardtwald bei Karlsruhe probte die Atomindustrie von 1971 bis 1990
die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente. Die dabei anfallende
hochradioaktive „Atomsuppe“ wurde in Tanks auf dem Gelände gelagert, die
schwach- und mittelradioaktiven Abfälle wanderten ins „Versuchsendlager“
Asse oder liegen im benachbarten Zwischenlager.

Für den Rückbau der WAK und die Entsorgung der hochradioaktiven
Atomsuppe veranschlagten die Betreiber 1991 Kosten von 1,9 Milliarden DM
(970 Mio. Euro). Offiziell übernahm die Industrie mit 1 Milliarde DM
(511 Mio. Euro) davon sogar den größeren Teil – allerdings als
Festpreis. Alle Kostensteigerungen fallen somit allein zu Lasten des
Staats und damit der SteuerzahlerInnen.

Schon Mitte der 1990er Jahre war klar, dass die 1,9 Milliarden DM bei
Weitem nicht ausreichen. Denn allein um bloß die „Atomsuppe“ transport-
und lagerfähig zu machen, musste eine eigene Verglasungsanlage errichtet
(und nun wieder abgerissen) werden. Bis heute ist unklar, was mit dem
hochradioaktiven Bodensatz passieren soll, der beim Abpumpen der
Atomsuppe in den Tanks zurückblieb. Und weder für die verglaste
Atomsuppe, die nun im Zwischenlager Lubmin vor sich hin strahlt, noch
für die Unmengen schwach radioaktiver Abfälle gibt es ein Endlager.

2005 wurden die Kosten für den Abriss der WAK und die Lagerung des
Atommülls bereits auf 1,9 Mrd. Euro (!) geschätzt. Das
baden-württembergische Wirtschaftsministerium konstatierte damals nach
erfolglosen Nachverhandlungen: „Eine Veränderung der Kostenbeteiligung
der Industrie über den 1991 vertraglich vereinbarten Rahmen hinaus lässt
sich nicht durchsetzen“. 2007 waren die Kosten bereits auf 2,63
Milliarden Euro, 2011 dann auf knapp 2,9 Milliarden Euro gestiegen –
also mehr als das Dreifache des ursprünglich angenommenen Betrags. Der
Abriss soll noch bis 2023 dauern. Wie viele Milliarden die
SteuerzahlerInnen am Ende für die radioaktiven Hinterlassenschaften des
Wiederaufarbeitungs-Experiments zahlen müssen, ist offen. Klar ist nur:
Die Atomindustrie ist fein raus.


Beispiel 2: Thorium-Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop (THTR)

Der Thorium-Hochtemperaturreaktor im nordrhein-westfälischen Hamm,
gedacht als Prototyp eines kommerziellen Kugelhaufenreaktors, war von
1983 bis 1989 in Betrieb, aber wegen technischer und wirtschaftlicher
Probleme lediglich sporadisch. Die Betreibergesellschaft HKG, ein
Zusammenschluss mehrerer Energieversorgungsunternehmen unter Führung von
VEW (heute RWE), drohte 1989 zunächst erfolgreich mit Insolvenz, um
weitere Millionenzuschüsse des Staates zu erpressen. Kurz darauf
beschlossen die Anteilseigner die Stilllegung des Reaktors. Die
Rücklagen für den Abriss der Anlage und die Lagerung des Atommülls waren
niemals ausreichend, ein Haftungsdurchgriff auf die Eigentümer die
Rechtskonstruktion der Gesellschaft ist aber so gut wie ausgeschlossen,
weil die HKG als Rechtsform eine GmbH gewählt hat.

2030 soll mit dem Abriss begonnen werden. Wenn alles gut läuft, soll er
2045 abgeschlossen sein. Ende 2012 wurden die Kosten für den Rückbau der
Anlage und die Atommüll-Lagerung auf 735 Millionen Euro geschätzt. Die
HKG verfügte damals noch über Eigenmittel in Höhe von 41,5 Millionen Euro.


Beispiel 3: „Versuchsendlager“ Asse II

Im ehemaligen Salzbergwerk „Asse II“ bei Wolfenbüttel liegen rund
125.000 zum Teil undichte Fässer mit Atommüll. In die Stollen dringt
Wasser ein, Salzlauge kommt mit Atommüll in Kontakt, das einst als
„säkular sicher“ bezeichnete gut 40 Jahre alte „Versuchsendlager“ ist
akut einsturzgefährdet. Das Bundesamt für Strahlenschutz rechnete 2009
mit Kosten von bis zu 2,5 Milliarden, 2010 dann mit bis zu 4 Milliarden
Euro für die Sicherung und Bergung des Atommülls sowie eine
ordnungsgemäße Stilllegung der Grube.

Die Atomindustrie nutzte das sogenannte „Versuchsendlager“ jahrelang als
billige Müllhalde; unter anderem erfand sie dort das besonders
kostengünstige „Abkippverfahren“, bei dem die Fässer nicht mehr
gestapelt, sondern einfach einen Hang hinabgekippt wurden.

75 Prozent der in der Asse lagernden Radioaktivität stammt aus
Atomkraftwerken. SPD und CDU schrieben dennoch 2009 ins Atomgesetz, dass
für die Bergungs-, Stilllegungs- und Sanierungskosten allein der Bund
aufkommen soll, also alle SteuerzahlerInnen.

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