Mehr Demokratie e.V.
Bundesverband
Pressemitteilung
35/13
1.10.13
+++ Direkte Demokratie im Test: Volksentscheids-Ranking
2013: Fachverband vergibt Noten für Regelungen der direkten Demokratie in den
Bundesländern +++
Mehr Demokratie veröffentlicht heute ein neues
Volksentscheids-Ranking, das die gesetzlichen Regelungen der direkten Demokratie
auf Landes- und Kommunalebene vergleicht und Noten vergibt. „In allen Ländern
gibt es die direkte Demokratie, aber sie ist nicht in allen in guter Verfassung.
Immerhin aber ist ein Reformkarussell in Gang: Vor allem auf kommunaler Ebene
übernehmen die Länder bewährte Regeln. Die direktdemokratischen Instrumente
werden zunehmend nutzbarer“, so Ralf-Uwe Beck, Mehr
Demokratie-Bundesvorstandssprecher.
Das Ranking ergebe, dass
mittlerweile in sieben der Bundesländer Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf
kommunaler Ebene bürgerfreundlich geregelt seien. Auf Landesebene könnten
Volksbegehren und Volksentscheide jedoch nur in drei Ländern – Hamburg, Bremen
und Bayern – als bürgerfreundlich gelten. Demgegenüber sei das Instrument in
Hessen, dem Saarland und Baden-Württemberg aufgrund hoher Hürden so gut wie
nicht nutzbar. „Die direkte Demokratie muss von zu hohen Hürden befreit werden,
damit sie ihre Wirkung entfalten kann. Hier beweist sich, ob den Bürgerinnen und
Bürgern mit Vertrauen und Respekt begegnet wird“, so Beck.
In der
Platzierung gegenüber 2010 haben sich Schleswig-Holstein und Bremen stark
verbessert. In Schleswig-Holstein gab es eine umfassende Reform auf
Kommunalebene, angestoßen durch eine Volksinitiative von Mehr Demokratie und
einem Bündnis. Das nördlichste Bundesland rückte damit aus dem Mittelfeld auf
den Platz 4-5 auf, den es sich mit Thüringen teilt. Auch in Bremen wurde ein
großes Reformpaket auf Kommunal- und Landesebene verabschiedet, mit dem der
Zwei-Städte-Staat sich von Platz 5 auf Platz 3 vorgearbeitet hat. Bisher
einmalig ist hier die Einführung eines bedingt obligatorischen Referendums in
Verbindung mit einem fakultativen Referendum bei künftigen Verkäufen
öffentlichen Eigentums. In Bremerhaven wurden durch eine Erweiterung der
zulässigen Themen und die Senkung der Quoren bei Bürgerbegehren und -entscheiden
ebenfalls Verbesserungen erzielt. Spitzenreiter sind Bayern (2) und Hamburg (1).
Die Hansestadt konnte damit den Spitzenplatz halten. Gründe sind die Weite der
zulässigen Themen, relativ geringe Hürden und auch ein hoher Bestandsschutz von
Volksentscheiden.
Die Schlusslichter bilden das Saarland und auf dem
letzten Platz Baden-Württemberg. Im Saarland wurde im Mai dieses Jahres eine
Reform verabschiedet und so die Quoren für Volksbegehren und Volksentscheid
gesenkt sowie das Finanztabu gelockert. Zugleich aber wurden einige
Erschwernisse für die Volksgesetzgebung nun in der Verfassung verankert und
damit zementiert: So ist es nicht möglich, die Vorschriften zum
Gesetzgebungsverfahren per Volksentscheid zu ändern. In der Gesamtsicht sind die
Verbesserungen also nur marginal. In Baden-Württemberg bleibt abzuwarten, ob der
Reformstau aufgelöst werden kann.
Reformen kündigen sich auch in
Nordrhein-Westfalen an. Eine neu eingesetzte Verfassungskommission befasst sich
unter anderem mit der Neuregelung der Volksgesetzgebung.
Einen großen
Einbruch gibt es in Berlin: Das Bundesland rutscht von Platz 2 auf Platz 6 ab.
Hier ist auch der Umgang des Senats mit der direkten Demokratie bewertet worden.
Das politische „Foulspiel“ des Berliner Senats schlägt negativ zu Buche: Dieser
legte den Abstimmungstermin für den Volkentscheid „Neue Energie für Berlin“ auf
den 3. November 2013 und nicht auf die Bundestagswahl, offensichtlich mit dem
Kalkül, dadurch die Beteiligung gering zu halten. Nach der Abstimmung über „Pro
Reli“ geschieht dies zum zweiten Mal. In Berlin gilt ein Zustimmungsquorum von
25 Prozent. Durch das Auseinanderziehen von Wahl- und Abstimmungstermin sinken
die Chancen, dieses Quorum zu überwinden.
Den größten Entwicklungsbedarf
sieht Mehr Demokratie auf Bundesebene. Hier müsse sich die neue Regierung
endlich der Aufgabe stellen, bundesweite Volksentscheide einzuführen. Von den
nunmehr im Bundestag vertretenen Parteien verweigere dies nur die Union. „Den
Bürgerinnen und Bürgern wird auf Kommunal- und auf Landesebene ein
Mitbestimmungsrecht zugestanden, aber auf Bundesebene sollen sie Zaungäste der
Politik bleiben. Diese Schieflage ist aus Bürgersicht nicht akzeptabel.“ Daran,
ob die Einführung bundesweiter Volksabstimmungen im Koalitionsvertrag vorgesehen
werde, werde sich zeigen, was die neue Regierung von den Bürgerinnen und Bürgern
hält.
Mehr Demokratie hat bisher in den Jahren 2003, 2007 und 2010
Rankings veröffentlicht.
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