Hamburg,
5. 9. 2018 – Staatsanwaltschaften verletzen häufig ihre Ermittlungs-
und Verfolgungspflichten, wenn sie Verfahren wegen tierschutzrechtlicher
Verstöße einstellen. Zudem sprechen sie sogenannten Nutztieren in den
Einstellungsbescheiden eine Leidensfähigkeit weitestgehend ab. Dies
zeigen acht Fallbespiele eingestellter Verfahren gegen Nutztierhalter,
die Greenpeace auswerten ließ (Link zur Auswertung: https://act.gp/2NLXFqj).
Gegen einen Staatsanwalt hat Greenpeace bei der Staatsanwaltschaft Gera
Strafanzeige wegen Rechtsbeugung erstattet. Dieser hatte ein Verfahren
wegen tierschutzwidriger Umstände in einer Sauenanlage eingestellt.
„Tierschutz ist in der Verfassung als Staatsziel verankert. Schwache
Verordnungen, mangelnde Kontrollen und fehlende Strafverfolgung belegen
jedoch, dass der Tierschutz in Deutschland nicht konsequent umgesetzt
wird“, sagt Stephanie Töwe, Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace. „Die
Tierhaltung muss dringend den Bedürfnissen der Tiere angepasst werden.“
Gutachten zeigt Fehler bei Strafverfolgung gegen Gut Thiemendorf auf
Aufgrund
tierschutzwidriger Zustände in der Sauenhaltung hatte Greenpeace im
Dezember 2017 Anzeige gegen die Heideland Gutsverwaltungs GmbH & Co.
KG und ihren Betrieb Gut Thiemendorf erstattet. Der zuständige
Staatsanwalt hat das Verfahren im Mai eingestellt. Ein von Greenpeace in
Auftrag gegebenes Rechtsgutachten von Strafrechtsprofessor Jens Bülte
von der Universität Mannheim belegt, dass der Staatsanwalt offenkundig
und schwerwiegend seine Pflicht zur Ermittlung und Verfolgung verletzt
hat (Link zum Gutachten: https://act.gp/2PySs5u).
Den Tieren im Gut Thiemendorf wurden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
erhebliche und länger andauernde Schmerzen und Leiden zugefügt.
Das
Gutachten deutet auf ein vorsätzliches Handeln des Betreibers der
Sauenanlage hin. Die qualvollen Bedingungen in der Sauenhaltung auf Gut
Thiemendorf hätten längst behoben werden müssen. So verstoßen Boxen
gegen die Tierschutznutztierverordnung, wenn die Schweine ihre
Gliedmaßen nicht ausstrecken können und in benachbarte belegte
Kastenstände hineinstrecken müssen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht
im November 2016 noch einmal klargestellt.
Auch
die von der Hamburger Anwältin Dr. Davina Bruhn ausgewerteten
Fallbeispiele aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt
zeigen, dass die Strafverfolgungsbehörden offenbar tierschutzrechtliche
Verstöße in der Massentierhaltung nicht konsequent ahnden. „Es entsteht
der Eindruck, dass die Staatsanwaltschaften nicht als neutrale Vertreter
der staatlichen Strafverfolgung tätig werden. Stattdessen stellen sie
ihre eigenen Wertvorstellungen beziehungsweise die wirtschaftlichen
Interessen der Agrarlobby tatkräftig über die des geltenden Rechts“,
sagt Bruhn.

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