26. April 2014

DEUTSCHE STRAHLENSCHUTZKOMMISSION IGNORIERT FOLGEN VON TSCHERNOBYL FÜR DEN KATSTROPHENSCHUTZ

Auch 28 Jahre nach der Tschernobylkatastrophe ignoriert die deutsche
Strahlenschutzkommission (SSK) die gesundheitlichen Folgen von
Tschernobyl. Infolge dieser kurzsichtigen Logik empfiehlt sie in ihrer
neuesten Publikation vom 24.02.2014 zu „Planungsgebieten für den
Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken“ viel zu hohe
Eingreifrichtwerte für Evakuierungen und „nimmt damit – konservativ
geschätzt – billigend Zehntausende Opfer nach einem Super-GAU in
Kauf“, so IPPNW-Ärztin Dr. Angelika Claußen. Bei den Empfehlungen für
die Katstrophenschutzplanung im Falle eines Super-GAUs würden nur schwere
akute Strahlenschäden, wie die „akute Strahlenkrankheit“
berücksichtigt, obwohl Langzeitfolgen wie Krebserkrankungen,
Fehlbildungen, Erbgutschäden, Totgeburten, Herzkreislauferkrankungen und
Störungen der Immunabwehr mittlerweile gut erforscht seien.


Während die SSK empfiehlt für die Bevölkerung in einem Umkreis von bis
zu 20 km eine sofortige Evakuierung vorzusehen, muss in angrenzenden Zonen
von 20 km bis zu 100 km eine radioaktive Belastung von 100 Millisievert
(mSv) innerhalb von 7 Tagen erreicht werden, damit die Bevölkerung ein
„Anrecht auf Evakuierung“ hat. Zum Vergleich: In Fukushima lag die
Grenze für Evakuierungen bereits bei 20 mSv, in Tschernobyl wurde sogar
schon bei einem Eingreifrichtwert von 10 mSv evakuiert und bei 5 mSv
bestand ein Anrecht auf dauerhafte Umsiedelung.


Wenn man zudem berücksichtigt, dass es nach Tschernobyl über 11 Tage
anhaltende radioaktive Ausstöße gab und die Dauer der radioaktiven
Ausstöße in Fukushima 25 Tage betrug, so wird sich jeder Laie fragen,
warum die SSK in ihrem Papier von einer Dauer der radioaktiven Ausbreitung
von nur 50 Stunden ausgeht.


Die Folgen eines Super-GAUs in Deutschland wären immens. So kam eine
Studie des Öko-Instituts 2007 zu dem Ergebnis, dass je nach
Wettersituation in Gebieten bis in eine Entfernung von etwa 600 km und mit
einer Breite von bis zu 50 km eine Evakuierung erforderlich werden
könnte. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz hielt es in seiner
„Analyse der Vorkehrungen für den anlagenexternen Notfallschutz für
deutsche Kernkraftwerke“ vom April 2012 für angemessen, mit
„Umsiedlungen“ noch in 100 bis 170 km Entfernung vom Unfallort zu
rechnen.


„Von den damals über 800.000 in Tschernobyl eingesetzten sogenannten
Liquidatoren sind mittlerweile 125.000 gestorben, Hunderttausende sind
schwer krank“, gibt IPPNW-Ärztin Dr. Angelika Claußen zu bedenken. Die
Anzahl allein der Krebstodesfälle durch Tschernobyl liegt gemäß
unterschiedlicher Schätzungen bei über 30.000 Fällen. Scheinbar haben
die Mitglieder der Strahlenschutzkommission nichts gelernt – weder aus
Tschernobyl noch von Fukushima. Mag es daran liegen, dass drei Mitglieder
des elf-köpfigen Gremiums Leiter von Atomkraftwerken bei RWE, EON und
Vattenfall sind bzw. waren? Der Kinderarzt und stellvertretende
IPPNW-Vorsitzende Dr. Alex Rosen fordert daher: „Ein neues Tschernobyl
muss verhindert werden. Wer die Bevölkerung nicht schützen kann, muss
alle laufenden Atomkraftwerke in Deutschland umgehend abschalten und
stilllegen.“

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