Jeder zweite Lebensmittelhersteller gibt zu: Werbeversprechen werden
vielleicht gebrochen - Unternehmens-Umfrage: Die Hälfte der Unternehmen prüft
Werbeaussagen nicht - Koalitionsverhandlungen: foodwatch fordert Maßnahmen gegen
Etikettenschwindel
Berlin, 29. Oktober 2013. Jeder zweite
Lebensmittelhersteller weiß nach eigenen Angaben nicht, ob er seine
Werbeversprechen auch einhalten kann. Das ist das Ergebnis einer bislang kaum
beachteten Unternehmens-Umfrage, die der Branchenverband BVE in diesem Oktober
veröffentlicht hat. Darin stimmten lediglich 52 Prozent von 300 befragten Firmen
der Aussage zu, die eigenen "Werbeversprechen sind geprüft und werden
eingehalten" - bei den anderen findet offenbar nicht einmal eine Prüfung statt.
Die Verbraucherorganisation foodwatch wertete dies als neuen Beleg dafür, dass
Verbraucher nur durch konsequente Gesetzgebung vor irreführender Werbung
geschützt werden können.
"Das ist zumindest mal bemerkenswert
ehrlich: Jedem zweiten Unternehmen ist es offenbar völlig egal, ob seine
Werbeversprechen stimmen oder die Verbraucher täuschen", erklärte Oliver
Huizinga, foodwatch-Experte für Lebensmittelwerbung. "Die Umfrage zeigt:
Solange eine große Anzahl von Unternehmen gar nicht ehrlich sein will, ja noch
nicht einmal die eigenen Versprechen prüft, hilft eine Debatte über
Selbstverpflichtungen oder Selbstreinigungskräfte des Marktes nicht weiter. Nur
durch gesetzliche Vorgaben können Verbraucher vor den Werbelügen geschützt
werden."
Für die Studie "Krisenmanagement & Krisenkommunikation
2013" hatten die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) und
die AFC Consulting Group online mehr als 300 Vertreter der Lebensmittelindustrie
befragt. Der unbekümmerte Umgang mit Werbebotschaften erstaunt umso mehr, als
die Lebensmittelwirtschaft bereits seit Jahren eine Vertrauenskrise beklagt und
eine Verbraucher-Umfrage im Auftrag der BVE schon 2011 vernichtende Zahlen
geliefert hatte. Damals hatte das Marktforschungsinstitut GfK 30.000 Haushalte
repräsentativ befragt - lediglich 18 Prozent gaben an, den Aussagen der
Lebensmittelhersteller zu vertrauen. 81 Prozent der Befragten sagten, sie
könnten die Qualität von Produkten anhand der vorhandenen Informationen nicht
richtig einschätzen. Anfang 2012 hatte zudem ein Gutachten zu dem von der
damaligen Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner initiierten Internetportal
gegen Etikettenschwindel, lebensmittelklarheit.de, klaren "Handlungsbedarf"
aufgezeigt, um "den Kunden, aber auch den Mitbewerbern Schutz vor
opportunistischem Verhalten einzelner Unternehmen [zu]
bieten".
"Studie um Studie lässt sich die Lebensmittelwirtschaft
verheerende Zeugnisse ausstellen, zieht jedoch keinerlei Lehren daraus.
Unverdrossen machen Unternehmen weiter aus Zuckerbomben gesunde Mahlzeiten und
Kinder zur Zielscheibe perfidester Werbemaschen, ungebremst kämpfen ihre
Lobbyisten mit aller Kraft gegen jedes bisschen Mehr an Transparenz und
Information. Höchste Zeit, dass der Gesetzgeber Regeln einführt, die Verbraucher
ebenso wie ehrliche Wettbewerber schützen", so Oliver Huizinga von
foodwatch. "Wenn der Gesetzgeber nicht dort eingreift, wo eine Branche ihr
eigenes Versagen zugibt - wo eigentlich dann?"
Anlässlich der
laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD forderte foodwatch von
der neuen Bundesregierung entschiedene Maßnahmen und europarechtliche
Initiativen gegen irreführende Werbung und Etikettierung. foodwatch hat dazu
einen 15-Punkte-Plan vorgelegt. Dazu gehören verpflichtende EU-weite
Kennzeichnungsvorgaben, etwa für die Herkunft von Lebensmitteln oder für den
Einsatz genveränderter Futtermittel, aber auch nationale Vorhaben: foodwatch
forderte die neue Bundesregierung auf, Informationsrechte von Verbrauchern nicht
nur gegenüber Behörden, sondern auch gegenüber Unternehmen zu
schaffen.
Link:
- 15-Punkte-Plan gegen
Etikettenschwindel (foodwatch): www.foodwatch.de/15punkte
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen