20. September 2019

Über 400 Kohle-Unternehmen planen Expansion: Neue NGO-Datenbank Global Coal Exit List für Finanzindustrie


Über 400 Unternehmen planen Kohle-Expansion:
NGOs enthüllen Konzerne in neuer Global Coal Exit List

• Neue GCEL-Datenbank zeigt: Großteil der Kohlefirmen noch auf Expansionskurs
• Über 200 Finanzinstitutionen wenden von urgewald entwickelte Kriterien an
• Suchmaschine Ecosia führt Negativkennzeichnung auf Basis der GCEL ein

Berlin | 19.09.2019Einen Tag vor dem globalen Klimastreik haben urgewald und 30 Partner-NGOs ein Update der „Global Coal Exit List“ (GCEL) veröffentlicht. Sie ist die weltweit umfangreichste Datenbank von Unternehmen, die Geschäfte mit Kohle für die Energieerzeugung machen.

„Unsere Daten für 2019 zeigen, dass Kohlefirmen immer noch versuchen ihre klimaschädlichen Geschäfte auszubauen. Es ist höchste Zeit der Industrie das Geld und die politische Unterstützung zu entziehen“, sagt Heffa Schücking,  Geschäftsführerin von urgewald. Die aktualisierte Datenbank belegt: Während die weltweit führenden Klimawissenschaftler und die Vereinten Nationen seit langem davor warnen, dass die kohlebasierte Energieerzeugung rasch eingestellt werden muss, planen nach wie vor über 400 der 746 Unternehmen auf der Global Coal Exit List ihre Kohleaktivitäten auszuweiten.

Die Global Coal Exit List wurde erstmals im November 2017 veröffentlicht und hat die Kohleausschlussregeln vieler Großinvestoren, insbesondere in Europa, maßgeblich geprägt. Über 200 Finanzinstitutionen sind heute registrierte Nutzer der Datenbank. Investoren, die ein Gesamtvermögen von fast 10 Billionen US-Dollar verwalten, wenden eines oder mehrere der Ausschlusskriterien der GCEL an, um Kohleunternehmen aus ihren Portfolios zu entfernen.

Die Datenbank umfasst die größten Betreiber von Kohlekraftwerken und die größten Kohlebergbaukonzerne, außerdem Unternehmen, die mehr als 30% ihrer Einnahmen oder ihres Stroms aus Kohle erzeugen sowie alle Unternehmen, die planen, Kohleminen, Kohleverstromung oder Kohle-Infrastruktur auszubauen.

Die Energie-Ökonomin Prof. Claudia Kemfert vom DIW Berlin sagt: „Die Global Coal Exist List liefert als Datenbank transparente und somit wichtige Informationen über den internationalen Kohle-Markt.“ Der Versicherer Zurich kommentiert: „Die GCEL ist ein wertvoller Beitrag zur Umsetzung unserer Kohle-Richtlinie im Versicherungsbereich, da es die einzige Datenquelle ist, die auch private Unternehmen bewertet.“

Überblick über die neue GCEL

Die Datenbank liefert detaillierte Daten zu 746 Konzernen und über 1.400 Tochtergesellschaften. Deren Aktivitäten reichen von der Kohleexploration und -bergbau, Kohlehandel und -transport bis hin zur Kohleverbrennung in Kraftwerken und Herstellung von Bauteilen für Kohlekraftwerke. Die Informationen in der Datenbank stammen in der Regel aus unternehmenseigenen Quellen wie Geschäftsberichten, Investorenpräsentationen und Firmen-Websites. Insgesamt deckt die GCEL 89% der weltweiten Kraftwerkskohleproduktion und fast 87% der weltweit installierten Kohlekraftwerke ab.

Neue Kohlekraftwerke mit über 579 GW geplant

Während die globale Kohlekraftwerkspipeline in den letzten 3 Jahren um über 50% geschrumpft ist, sind immer noch in 60 Ländern der Welt neue Kohlekraftwerke geplant oder im Bau. Wenn sie alle fertiggestellt werden, würden die Projekte die globale Kohlekraftwerksflotte um über 579 GW erhöhen, was einem Anstieg von fast 29% entspricht.[1]

Die diesjährige GCEL listet 259 Entwickler von Kohlekraftwerken auf. Mehr als die Hälfte dieser Unternehmen stammen nicht ursprünglich aus diesem Geschäftsfeld und werden daher von vielen Kohleausschlussregeln der Finanzinstitutionen nicht erfasst. Typische Beispiele sind Unternehmen wie der Hongkonger Textilproduzent Texhong, der den Bau eines 2.100-MW-Kohlekraftwerks in Vietnam plant. Oder sehr diversifizierte Unternehmen wie die japanische Sumitomo Corporation, die neue Kohlekraftwerke in Bangladesch, Vietnam und Indonesien entwickelt. Kimiko Hirata von der japanischen NGO Kiko Network sagt: „Alle fünf der größten japanischen Handelshäuser stehen auf der Global Coal Exit List, da sie immer noch neue Kohlekraftwerke im In- und Ausland bauen.“
Einer der skurrilsten Entwickler von Kohlekraftwerken ist „Shine Energy“ aus Australien, der seine Mission wie folgt beschreibt: „Helping Australia transition to a renewable future“. Gleichzeitig plant Shine Energy die Entwicklung eines 1.000-MW-Kohlekraftwerks, „to return one of North Queensland’s oldest coal mining towns to its former glory“, wie eine australische Nachrichtenagentur berichtet.[2]

Ausbau von Kohlebergbau und Kohleinfrastruktur

Über 200 Unternehmen auf der GCEL bauen ihre Kohlebergbauaktivitäten
weiter aus, oft gegen den starken Widerstand lokaler Gruppen. Während einige große Kohlebergbaufirmen wie South32 aus Australien damit begonnen haben, ihre Kohlebestände zu verringern, befinden sich die meisten der weltweit größten Kohleproduzenten noch im Expansionsmodus. 24 der 30 Unternehmen, die für die Hälfte der weltweiten Kraftwerkskohleproduktion stehen, verfolgen Pläne, ihre Kohleproduktion weiter zu steigern. Glencore, der achtgrößte Kohleproduzent der Welt, hat kürzlich Lob von Klima-sensiblen Investoren dafür erhalten, dass er eine Obergrenze von 150 Millionen Tonnen für seine jährliche Kohleproduktion festgelegt hat. De facto bleibt damit aber noch viel Platz für Kohle: Im Jahr 2018 betrug die Kohleproduktion von Glencore 129 Millionen Tonnen.

In vielen Regionen der Welt ist die Entwicklung neuer Kohleminen von der Entwicklung neuer Kohletransportinfrastruktur wie Eisenbahnen oder Kohlehäfen abhängig. 34 Unternehmen auf der GCEL planen den Ausbau solcher Infrastruktur. Dazu gehören das indische Unternehmen Essar, das ein Kohleexportterminal in Mosambik baut oder VostokCoal aus Russland, das zwei Kohle-Terminals in der Arktis baut, auf der empfindlichen Taimyr-Halbinsel, um mit dem Abbau einer der weltweit größten Steinkohlelagerstätten zu beginnen.

Finanzinstitutionen unterschätzen massiv die Rolle von Logistik- und Transportfirmen beim Ausbau der Kohleindustrie. Das zeigt etwa die Tatsache, dass das Unternehmen Adani Ports & Special Economic Zones, eine Tochtergesellschaft der stark auf Kohle fixierten Adani-Gruppe, erst kürzlich noch 750 Millionen US-Dollar durch die Ausgabe einer Anleihe aufnehmen konnte.[3]


„Unsere Recherchen zeigen, dass die Expansion des Kohlebergbaus, der Kohle-Transportinfrastruktur und der Kohle-Energieerzeugung Hand in Hand gehen. Wenn sie das Feuer nicht noch weiter anfachen will, muss die Finanzindustrie dem Beispiel der französischen Bank Crédit Agricole folgen“, fordert Schücking. In ihrer neuen Richtlinie von Juni kündigte sie an, dass sie ihre Beziehungen zu allen Kunden beenden wird, die den Ausbau des thermischen Kohlebergbaus, von Kohlekraftwerken, Kohletransportinfrastruktur oder des Kohlehandels planen.[4]

Fazit

Von Polen bis zu den Philippinen und von Mosambik bis Myanmar, Gemeinden vor Ort gehen gegen neue Kohleprojekte vor Gericht und auf die Straße. Am 20. September fordern Millionen von Menschen in aller Welt ein Ende der Verwendung von Kohle und anderer fossiler Brennstoffe. Die gute Nachricht: Die Global Coal Exit List zeigt, dass das Problem begrenzt ist. 746 Unternehmen muss die Finanzindustrie ihre Unterstützung entziehen, damit die Pariser Klimaziele in erreichbare Nähe rücken.

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